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Europäische Kongresse 'In der Begegnung leben'
Kongresse weltweit

Der 1. Kongress 1998 in Berlin

26. bis 29. März 1998
Berlin, Deutschland
Thema: Wege zum biographischen Verständnis

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Bericht von Thomas Kraus
Zusammenfassung und Rückblick von Armin Küttner (†)
Aus Liebe zum Menschen
Immer noch: In der Begegnung leben ...
Aus der ersten Einladung zum Kongress
zur Foto-Seite 1. Kongress 1998

Bericht

von Thomas Kraus, Berlin

1. Die Idee

Ein Kongress dient in der Regel der Zusammenkunft von Menschen, die sich einer bestimmten Sache widmen oder einer bestimmten Tätigkeit nachgehen, um sich mit Gleichgesinnten inhaltlich auszutauschen. Bezüglich der Thematik von Behinderung gibt es zahlreiche Veranstaltungen für Menschen, die durch ihre berufliche Tätigkeit, mit dieser Lebenssituation konfrontiert sind. Für die Menschen, deren Leben selbst von einer Behinderung beeinflußt wird, wurde bisher noch keine Veranstaltung in dieser Form angeboten.

Die Idee entstand aus Erfahrungen, die Betreute aus anthroposophischen Einrichtungen während kleinerer Tagungen gemacht hatten. Es wurde überlegt, eine solche Tagung auf eine Großveranstaltung für ca. 300 Teilnehmer auszuweiten, und sie an einem öffentlichen und zentralen Ort stattfinden zu lassen. Die Idee, Berlin als Veranstaltungsort zu wählen, war nicht zufällig. Gerade dort, wo sich bedeutende Wandlungen im geschichtlichen Ablauf der Menschheit ereigneten, könnte eine solche Veranstaltung wiederum einen Umschwung, hinsichtlich der Auffassung von Behinderung, veranlassen.

Die gegenwärtige Zeit ist trotz vieler positiver Veränderungen für Menschen mit Behinderung, in den westlichen Industriestaaten davon gekennzeichnet, daß jede Beeinträchtigung als <negativ> angesehen wird, oft auf ökonomische Gesichtspunkte reduziert wird, und vermieden werden sollte (z.B. Pränatale Diagnostik). Äußere Erscheinungen, die durch Krankheit oder Behinderung von einer vorgestellten Norm abweichen (z.B. Mißbildungen, besondere Verhaltensweisen), sind gesellschaftlich in vielerlei Hinsicht unangenehm. Das gesellschaftliche Ideal, das es zu erreichen gilt, wird durch Begriffe wie materieller Wohlstand, körperliche Schönheit, Gesundheit, Glück..., charakterisiert. Behinderung oder Krankheit, als Formen des Menschseins, widersprechen diesen Vorstellungen.

Die positiven Aspekte von Behinderung werden meist nicht in Betracht gezogen. Menschen mit Behinderung ermöglichen es anderen, sich durch die Beziehung zu ihnen, menschliche Qualitäten wie Mitleid, uneigennützige Liebe oder einfach ausgedrückt, Mitmenschlichkeit anzueignen. Immer handelt es sich um direkte, reelle menschliche Begegnungen. Im Gegensatz dazu steht der allgemeine Wunsch zur Begegnung auf abstrakte Weise (z.B. Internet-Kommunikation). Behinderung oder Krankheit ermöglichen es, sich in zwischenmenschlicher Hinsicht, d.h. im Sozialen, zu entwickeln. Dies ist als ein wesentlicher gesellschaftlicher Auftrag anzusehen, in einer Zeit, in der die Menschlichkeit in vielfältiger Weise korrumpiert wird.

Der Kongress sollte die Möglichkeit bieten, daß sich Menschen mit den verschiedensten Formen von Behinderung, aus allen europäischen Ländern, in Berlin treffen konnten, um zu einem Erlebnis der individuellen Bedeutung für die soziale Gemeinschaft zu kommen. Durch die Begegnung mit Teilnehmern aus anderen Ländern, sollte eine möglichst große Vielfalt von Erlebnismöglichkeiten gegeben, und vor allem der Kontakt zu anderen Betroffenen hergestellt werden. Die Vorstellung war es, daß sich viele Bekanntschaften entwickeln würden, für deren Weiterbestehen der Kongress der Ausgangspunkt sein sollte. Der Untertitel „Wege zum biographischen Verständnis“ sollte darauf hinweisen, daß sich die Teilnehmer soweit wie möglich mit ihrer, von einer Behinderung gekennzeichneten Biographie, auseinandergesetzt hatten. Daher waren Menschen mit einem Mindestalter von 20 Jahren eingeladen. Die inhaltlichen Beiträge des Kongresses sollten von den Teilnehmern selbst gestaltet werden, der Rahmen und die Organisation von den Veranstaltern. Im Vordergrund des Kongresses sollten in jeder Hinsicht diejenigen stehen, für die er stattfinden sollte. Wie bei anderen Veranstaltungen dieser Art, sollte ein vielseitiges Programm erstellt werden: Vorträge, Arbeitsgruppen (Workshops), Exkursionen, künstlerische Darbietungen, gemeinsames Essen und ein öffentlicher Kulturabend.

2. Die Organisation

Seit Anfang 1997 trafen sich in regelmäßigen Abständen 8 Menschen aus freier Initiative als Organisatoren, die die Idee des Kongresses in die Tat umsetzen wollten. Über 15 Monate wurde aus freiem Entscheid und in ehrenamtlicher Tätigkeit an dieser Verwirklichung gearbeitet.

Die Trägerschaft des Kongresses übernahm das Heilpädagogische Therapeutikum, Berlin Zehlendorf. Als Veranstaltungsort wurde das Tagungszentrum „Haus am Köllnischen Park“ in Berlin-Mitte ausgewählt, da dort ein ausreichender Saal (ca. 800 Plätze) und genügend Räume für die Arbeitsgruppen zur Verfügung standen und die zentrale Lage, das Interesse der Öffentlichkeit bzw. der Medien wecken könnte. Da es den Teilnehmern selbst nicht zuzumuten war, sich um Übernachtungsmöglichkeiten zu kümmern, wurden fünf, auf das Zentrum von Berlin verteilte Gästehäuser angemietet, zu denen Bustransfers eingerichtet wurden.

Bevor dies jedoch geschah, mußte zuerst einmal eine bundesweite Befragung von Behinderteneinrichtungen, bezüglich des Interesses an einer Teilnahme, stattfinden. Da die Resonanz anfangs relativ gering war, kam Skepsis hinsichtlich der angestrebten Größenordnung von 300 Teilnehmern auf. Dennoch wurden die ersten Verträge unterzeichnet, und auf eine größere Resonanz gehofft. Im Laufe der Zeit stellten sich andere Probleme ein: Die Anmeldungen wollten nicht enden, so daß die Teilnehmerzahl fast verdoppelt werden mußte. Die Obergrenze von 500 Teilnehmern war für die Vorstellungen der Organisatoren bereits durch den erhöhten Arbeitsaufwand über die Zumutbarkeit hinausgegangen, weil es sich ja um eine besondere Teilnehmerschaft handeln würde. Aber im Hinblick auf deren Erlebnismöglichkeiten einigte man sich auf die Erweiterung.

Um es möglichst vielen aus anderen Ländern zu ermöglichen, nach Berlin zu reisen, sollte die Teilnahmegebühr so niedrig wie möglich gehalten werden. Der Betrag von 250.- DM für jeden Teilnehmer, lag mit 150.- DM unter den Realkosten und umfaßte Unterkunft, Mahlzeiten, Exkursionen und anteilige Mietkosten für das Tagungszentrum. Der Restbetrag sollte durch Stiftungsgelder, Spenden und freiwillige Erhöhung der Teilnahmegebühr, aufgebracht werden. (Die Bilanz ergab dennoch ein Defizit in Höhe von 15000 DM welches noch beseitigt werden muß.)

Es wurde versuchte, Menschen aus unterschiedlichen Ländern zu finden, die durch ihre Beiträge dazu beitragen konnten, das Programm vielfältig zu gestalten. Dies galt vor allem für die inhaltliche Auswahl der Workshops. Damit die Menschen mit Behinderung an diesen aktiv teilnehmen konnten, mußten sie sehr unterschiedlich gestaltet werden. Darüber hinaus, mußte auch die besondere Situation der unterschiedlichen Sprachen und Bewegungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Für das Plenum und den öffentlichen Abend war es ein Anliegen, daß einige der Teilnehmer bereits zu Hause etwas vorbereiteten, um es den übrigen Zuschauern als Darbietung aus dem Heimatland vorführen zu können. Es mußten Vortragsredner gefunden werden, die die Fähigkeit besaßen, zu diesem Personenkreis zu sprechen. Da viele der Teilnehmenden noch nie in Berlin, oder in einer anderen Großstadt waren, mußten die Exkursionen darauf abgestimmt werden. Dazu hatten die Teilnehmer bei der schriftlichen Anmeldung die Möglichkeit, aus der beigefügten Liste, individuell einen Workshop und eine Exkursion anzugeben, was dann Grundlage für die Zusammenstellung der Gruppen war. Nicht einfach war es, genügend Helfer zu motivieren, die ebenfalls ehrenamtlich den vielen Menschen beim Kongress rat- und tatkräftig zur Seite stehen sollten.

3. Das Ereignis

Zum Kongress waren über 500 Teilnehmer (ca. 400 Betreute und 100 Betreuer) aus folgenden europäischen Ländern angereist: Italien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Holland, Großbritannien, Norwegen und aus allen Teilen Deutschlands. Das Altersgefälle lag zwischen 20 und 70 Jahren. Die Schwere der Behinderungen und deren Form variierte. Mehrheitlich vertreten waren Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung, einige Teilnehmer hatten psychische oder körperliche Beeinträchtigungen, etwa 20 Rollstuhlfahrer waren anwesend.

Um die Bedeutung eines jeden Einzelnen für den Kongress zu unterstreichen, bekam jeder ein Namensschild mit seinem Herkunftsland und einen Ausweis, in dem die wichtigsten Daten vermerkt waren, damit, im Falle des Verirrens, immer schnell die zugehörige Gruppe gefunden werden konnte. Diese Kleinigkeiten zeigten sich als sehr bedeutungsvoll, da sich jeder Teilnehmer seiner Wichtigkeit bewußt werden konnte. Viele Begegnungen ergaben sich aus dem Lesen eines Schildchens. Die sprachlichen Barrieren wurden, wo sie überhaupt vorhanden waren, durch Übersetzer überwunden. Meistens jedoch verständigten sich die Fremdsprachigen auf ihre eigene Art miteinander. Auch das sehr umfangreiche Programm wurde von den meisten vollends ausgeschöpft, was die Leere des eingerichteten Ruheraumes zeigte. Viele Teilnehmer waren während der sechs Tage (einschließlich Reisezeit), bis auf kurze Nachtschlafensphasen, dauernd in Bewegung. Die Betreuer zeigten wesentlich eher Ermüdungserscheinungen?! Für viele war es ein einmaliges Ereignis, neben dem Kongress, auch die Stadt besuchen zu dürfen. Dies ermöglichten über 50 Exkursionsmöglichkeiten, die die Vielfalt Berlins erlebbar machen sollten. In den 20 Workshops, die ebenfalls alle Betätigungsformen in Zusammenhang mit dem Kongressthema anboten, konnte sich jeder individuell drei Tage lang in seiner Gruppe austauschen, oder einer bestimmten Tätigkeit nachgehen. Es wurde Wert darauf gelegt, genügend Pausen anzubieten, in denen sich die bedeutendsten Begegnungen abspielten.

Jeder Morgen wurde mit einer gemeinsamen musikalischen Einstimmung begonnen, um alle Teilnehmer mit einem ihnen bekannten Medium zu aktivieren. Danach gab es an jedem Tag ein Referat zum Kongressthema (u.a. Prof. M. Hahn HU Berlin). Diese sprachen durch ihren Inhalt und durch die Methode die Teilnehmer sehr an und vermittelten ihnen wichtige Gedanken zu ihrer besonderen Lebenssituation. Danach fanden die Arbeitsgruppen, dann das gemeinsame Mittagessen und später die Ausflüge statt. Am zweiten Abend war die Öffentlichkeit eingeladen, am Kongress teilzunehmen. Aufgrund der geringen Werbung kamen nur etwa 200 zusätzliche Gäste und erlebten ein Konzert des Schulorchesters einer Sonderschule aus Bremen mit. Der zweite Teil des Abends bestand aus einem Theaterstück (Karl König), das nach langer Vorbereitungszeit von Menschen mit und ohne Behinderung zusammen aufgeführt wurde. Das Stück hatte die Behinderung und deren Aufgabe für die Menschheit zum Thema.

Der Höhepunkt des Kongresses hinsichtlich des Motivs der Begegnung, wurde am nächsten Abend durch eine Riesenparty verwirklicht. Neben dem gemeinsamen Essen, war vor allem das Tanzen Grundlage für eine unglaubliche Stimmung im Kongresszentrum. Rollstuhlfahrer wurden in die Mitte genommen und zum Tanz aufgefordert und am Buffet wurde sehr darauf geachtet, daß jeder etwas abbekam. Es wäre zu wünschen gewesen, daß möglichst viele derer, die diesen Menschen ein Lebensrecht absprechen, oder ihnen Teilnahmslosigkeit am Leben bescheinigen, diese Begeisterung miterlebt hätten. Am letzten Tag, einem Sonntag, wurde der Kongress mit einer religiösen Stimmung begonnen und mit den Darbietungen aus einigen Workshops im Plenum fortgesetzt. Vor der Heimreise bestand noch die Möglichkeit, daß einzelne Teilnehmer auf der Bühne einen Rückblick auf den Kongress geben konnten. Hätte man dies nicht begrenzt, wäre wahrscheinlich die Hälfte der Anwesenden nach vorne gestürmt, um sich mitzuteilen. Die Statements zeigten den Organisatoren, daß sich ihr Aufwand der ehrenamtlichen Tätigkeit gelohnt hatte. An sie erging der Auftrag weitere Kongresse zu organisieren.

Die Auswertung einer durchgeführten Evaluation ergab, daß der Kongress von nahezu allen Teilnehmern sehr positiv erlebt wurde. Die Verantwortlichen des Kongresszentrums die in der Vorbereitungszeit gewisse Bedenken bezüglich der Teilnehmerschaft hatten, zeigten sich von dieser und vom Gesamtablauf beeindruckt. Obwohl die Medienanstalten informiert wurden, zeigten sie wenig Interesse, was als ein Merkmal für das gegenwärtige gesellschaftliche Interesse für das Thema Behinderung gewertet werden könnte. In keiner einzigen Tageszeitung wurde von dem in seiner Größe einmaligen Ereignis berichtet und dies obwohl alle informiert wurden und zu diesem Zeitpunkt die Aktion „Grundgesetz: Gleichstellung für Behinderte“ lief. Einzigst in der Abendschau (B1) wurde eine kurze Sequenz gesendet. Interessant war in diesem Zusammenhang, daß die Reporter ihren angekündigten 5 minütigen Schnelldurchlauf auf 1.5 Stunden Anwesenheit ausdehnten und darum baten, bei zukünftigen Ereignissen dieser Art zwecks einer längeren Dokumentation frühzeitig informiert zu werden.

Der europäische Kongress „In der Begegnung leben“ war in dieser Form der erste überhaupt und deshalb einmalig. Er übertraf die Erwartungen der Organisatoren, und das Anliegen, auf die Bedeutung der Menschen mit Behinderung für das soziale Leben, durch das Motto der Begegnung hinzuweisen, wurde in jeglicher Form verwirklicht. Für mich persönlich war es bedeutend zu erleben, wie eine gemeinsame Idee durch eine Menschengemeinschaft unterschiedlichster Individualitäten auf freie Weise verwirklicht werden kann, wobei der persönliche Nutzen nicht im Vordergrund steht.

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Zusammenfassung und Rückblick

von Armin Küttner (†), Berlin

Vom Donnerstagabend 26. bis Sonntagmittag 29. März '98 trafen sich 500 Menschen aus acht europäischen Ländern mit sechs verschiedenen Sprachen zu dem Kongress im Haus am Köllnischen Park in Berlin Mitte. Die Teilnehmer kamen zu 80 % aus anthroposophischen Einrichtungen. Etwa 100 waren begleitende Mitarbeiter aus den Einrichtungen. Die Teilnehmer waren in fünf Gästehäusern untergebracht und wurden mit sechs Sonderbussen täglich zum Kongresszentrum und zurück gebracht. Der Tag begann etwa um 7.00 Uhr mit dem Frühstück. Nach den Abendveranstaltungen kamen manche Teilnehmer erst gegen 23.00 Uhr nach Hause.

Das Programm umfasste an den Vormittagen die Plena mit gemeinsamen Gesang, geleitet von Susanna Dornwald aus Witten, sowie Vorträgen von Kurt Eisenmeier aus Sassen und Prof. Martin Hahn aus Berlin. Anschließend fanden etwa 20 Workshops in verschiedenen Räumen mit Gespräch und künstlerischen Aktivitäten statt, die von verschiedenen Menschen aus ganz Europa geleitet wurden. Den Sonntagvormittag füllten eine religiöse Feier, Workshops und ein Abschlußplenum.

An den Nachmittagen konnten die Teilnehmer das Angebot von je etwa 20 Exkursionen wahrnehmen, in denen sie der Geschichte Berlins, städtischen Lebens- und Arbeitsfeldern und den verschiedenen Kulturen, die in Berlin leben, begegnen konnten. Museen und Kirchen standen natürlich auch auf dem Programm.

Am ersten Abend fand ein Eröffnungskonzert durch das integrative Orchester von Prof. Detlev Cramer, Berlin sowie die Begrüßung statt, u.a. mit dem Grußwort des Schirmherrn Dr. Ellis Huber (Präsident der Berliner Ärztekammer), vorgetragen von seiner persönlichen Referentin Frau Dr. Eva Müller-Dannecke; anschließend gab es ein Buffet zum ersten Kennenlernen. Der Freitagabend wurde als öffentlicher Kulturabend durchgeführt, an dem das Schulorchester der Tobias-Schule Bremen unter Leitung von Torsten Brandes mit 50 Kindern spielte. Es wurde von dem Elternchor der Schule und Sabine Paßow von der Komischen Oper Berlin begleitet und unterstützt. Anschließend führten die Dorfgemeinschaften Hermannsberg und Lehenhof das Karfreitagsspiel von Karl König unter der Regie von Christoph Rascher auf. Am Samstagabend gab es ein festliches Buffet mit Musik und Tanz.

Zum Kongress fanden in dem mit fast 100 großen und kleinen Blumensträussen geschmückten Haus zwei Kunstausstellungen statt: Werke von Jean-Nepomuk Geiss aus der Lebensgemeinschaft Alt-Schönow, Berlin sowie gestalteteTüren von Jugendlichen aus der Camphill Gemeinschaft Bruckfelden unter der Leitung von Michail Bensman.

Allen Bruder sein - Ich begegne mir selbst

Diese beiden Motive haben den Kongress geistig getragen. Herr Eisenmeier hatte in seinem Vortrag den Gedanken des ‘Bruder und Schwester Seins’ herausgearbeitet. Herr Prof. Hahn nahm am zweiten Tag den Faden auf und sprach über die Selbstbegegnung.

Gemeinschaftsbildung

Die Kongressteilnehmer bildeten in den drei Tagen eine Gemeinschaft, die durch eine durchgehend freundliche und immer erwartungsvolle Stimmung getragen wurde, in der Behinderung keine Rolle spielte. Es herrschte eine aussergewöhnliche Disziplin und Gelassenheit, so daß das dichte Programm und der Ablauf einem ruhigen Fluß glichen, der alle mitgetragen hat. Rollstühle wurden Treppen hoch und runter getragen und bei den Buffets wurde geduldig gewartet und Rücksicht auf den anderen genommen. Es entstand bei vielen zum ersten Mal ein Bewußtsein dafür, daß in vielen Ländern Menschen mit einer Behinderung leben. Die Menschen begegneten sich mit einer großen Innerlichkeit und Wärme.

Konzentration und Ruhe

Eine der am beeindruckensten Qualitäten des Kongresses war die Fähigkeit der Kongressgemeinschaft, sich ganz lauschend dem Geschehen auf der Bühne zuzuwenden. Schon am ersten Abend bei der Musik von Herrn Prof. Cramer war es so still im Saal, daß man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Herr Prof. Hahn forderte in seinem Vortrag die Teilnehmer auf, eine Minute über sich selbst nachzudenken. Ich habe bisher nur sehr selten einen solch intensiven Moment der inneren Konzentration und Wachheit erleben dürfen.

Fröhlichkeit und Flexibilität

Neben dem wirklichen Ernst zeigte sich eine ganz natürliche Fröhlichkeit auf den Exkursionen oder in den Pausen. Ganz besonders deutlich wurde sie beim Tanzabend mit Buffet. Beim Essen wurde viel erzählt. Dann wurde in Paaren getanzt. Später wurden Tische beiseite geräumt und Volkstänze aufgeführt. Zum Schluß spielte die Musikgruppe im Foyer auf der Treppe zum Obergeschoß und alle Teilnehmer standen unten und oben um die Galerie und klatschen und sangen mit. Die Gruppe spielte bis die Busse schon vor der Tür standen. Nach dem letzten Lied hatten alle Kongressteilnehmer innerhalb von 20 Minuten ihre Mäntel aus der Garderobe geholt und saßen in den richtigen Bussen.

Zeitgenosse - sein

Es war zu erleben, daß der europäische Rahmen des Kongresses, der durch das Hören verschiedener Sprachen jedem erlebbar wurde, eine besondere Wachheit hervorrief und viele mit einem inneren Stolz erfüllte. Es bildete sich das Gefühl, nicht allein zu sein, und das Bewußtsein, daß an vielen Orten in verschiedenen Ländern seelenpflege-bedürftige Menschen leben. Viele tauschten Adressen aus, so daß ein kleiner Anfang der Bewußtseins- und Gemeinschaftsbildung über den Kongress hinaus gemacht wurde.

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Aus Liebe zum Menschen

aus seinem Bericht im Goetheanum-Mitteilungsblatt vom 21.6.98
von Bernhard Merzenich (Initiator des Kongresses)

... Auf der Grundlage freier Initiative und Begeisterung, aus Liebe zum Menschen, welches sich im Hilfsbedürftigen in besonderer Weise ausspricht, konnte dieser Kongress zu einem Ereignis werden, welches weit in die Zukunft weist. Die Worte Christian Morgensterns, die in seinem Lied ‚Brüder‘ mehrfach auf dem Kongress erklungen sind, konnten ein Stück Wahrheit werden:

„Allen Bruder sein,

Allen helfen, dienen,

Ist seit Er erschienen

Ziel allein.“

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Immer noch: In der Begegnung leben ...

von Isabella Materna, Berlin (Dekoration)

Der Rahmen ist zusammengeschraubt, die Leinwand darauf festgenagelt, und nachdem die Grundierung trocknete, beginnen Kay und Manuela im Oktober 1997 mit dem Malen. Klare Farben werden mit breiten Pinseln aufgetragen.

Die Freude der Maler an dem Geschehen steckt mich an — wir arbeiten für den Kongress!

Die vier Leinwände waren dann Anfang März fertiggestellt. In der Textilwerkstatt halfen mir alle Mitarbeiter beim Zusammennähen zu einem großen Transparent.

Die erste Hürde war also genommen, und ich konnte mich auf die Vorbereitung der übrigen Dekoration konzentrieren. Vasen werden in der Keramikwerkstatt extra angefertigt; die Zweige aus Rohrlack können abgeholt werden. Helfer stellen sich ein. Atemlos organisiere ich tausend „kleine Dinge“. Habe ich an alles gedacht? Die Verantwortung lastet auf mir.

Endlich der große Moment! Alle Vasen sind samt Blütenpracht in Sälen und Workshopräumen verteilt, das Foyer ist geschmückt und bunte Primeln stehen auf den Tischen, als die ersten Kongressteilnehmer am 26. März eintreffen.

Aufregung, gemischt mit Freude und diesem unaussprechlichen Gefühl von ‚Zuviel‘ und ‚Trotzdem‘ steigen in mir auf. Diese Empfindung hält während der vier Kongresstage an. Was wir ein Jahr lang ausgearbeitet haben, erfüllt sich nun. Ich bin überwältigt von den vielen Menschen, die schon bald das Haus füllen. Freude und gespannte Erwartung spricht aus den Gesichtern entgegen.

In unserer außergewöhnlichen Stadt Berlin verwirklicht sich eine Idee, der mehr als 500 Menschen gefolgt sind! Es werden ganz außerordentliche Kongresstage, das spüre ich. Welche Begegnungen werde ich haben?

Schon beim Aufbau half Hans-Volker Voigt, der mit seinem unvergleichlichen „Oh ja!“ die Arbeiten sehr erleichterte.

Nach einem Gespräch mit Barbara Hecker mußte ich ihr für ein Foto Modell stehen. Die Blumendekoration wurde von Patricia Motzigember sehr gelobt, und sie versicherte mir, daß sie sich bei uns besonders wohl fühle.

An Dirk Quast werde ich noch lange denken, denn ich durfte bei einer Tasse Kaffee wesentliche Episoden aus seinem Leben erfahren.

Ich vergesse alle Mühen, die Müdigkeit wird unwichtig, denn ich bin getragen von der Begeisterung, die mich umgibt.

Nichts Schöneres konnte mir passieren als die Feststellung von Lorenz, der mir nach einigen Komplimenten sagte: „Du bist eine Frau in den besten Jahren.“

Mit der Verpflichtung, meine ‚besten Jahre‘ noch gut zu nützen, stelle ich mich gerne jeder neuen Aufgabe, die mir solch wundervolle Begegnungen beschert.

Anmerkung: Das Logo des Kongresses wurde von Isabella Materna entworfen

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Aus der ersten Einladung zum Kongress

von Bernhard Merzenich

... Der Kongress soll ein Forum der Begegnung sein, Menschen mit Behinderungen bedürfen besonderer Hilfen zur Kommunikation. Ihrem Bedürfnis, den anderen Menschen zu treffen, der Welt zu begegnen, wird hier Raum gegeben.

Der Kongress ist eine Dokumentation. Es soll dabei anschaubar werden, welchen Beitrag Menschen, die mit einer Behinderung leben, leisten können, in einer Gesellschaft, deren Maximen wie Wohlstand – Glück – Gesundheit – Fitneß – Jugendlichkeit geschaffen hat. Weltweit wird konstatiert: Der Mensch entfernt sich von der Menschlichkeit, sein Menschsein wird bedroht in dem nicht zu übersehenden Verlauf unserer Zivilisation durch den Materialismus hindurch. Die offene Begegnung mit dem Hilfsbedürftigen hält diese Entwicklung etwas auf, läßt uns stutzig werden und nachdenken. Letztlich erfahren wir von ihm, dass es Werte gibt, die aus der Degeneration heraus in eine neue Menschlichkeit führen. Dann wird deutlich, dass die Behinderung dort ist, wo der Mensch sich entfernt hat von seinem eigentlichen Wesen.

Auch auf dem Hintergrund der Bioethik-Diskussion, der modernen Genetik, der Aussagen eines Peter Singer und einer Vergangenheit, wo die Euthanasie bekanntermaßen die Existenzberechtigung hilfsbedürftiger Menschen in Frage stellte, wollen wir Möglichkeiten schaffen, dass Menschen mit Behinderungen sich formulieren, begegnen und ihre Aufgaben signalisieren können.

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